24 Baukalkulation: Vorsicht
bei der
Umlage von Baustellengemeinkosten
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TIPP: Da sich manche öffentlichen Auftraggeber ihr eigenes "betriebswirtschaftliches Universum" schaffen und die Judikatur jeder Art von Mischkalkulation skeptisch gegenübersteht, sollten im LV vorhandenen Positionen für die Erfassung von BGK genutzt werden und auf Umlagen, auch wenn sie betriebswirtschaftlich sinnvoll und ÖNORM B 2061-konform sind, verzichtet werden.
Zum Erlangen eines vertieften
betriebswirtschaftlichen Verständnisses und für Anregungen, wie eine
Kalkulation aufzubauen ist und begründet werden kann, besuchen Sie das WEBINAR
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Kostenverursachungsprinzip und zu diesem Fall gibt es einen Videobeitrag: Zum Videobeitrag
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Beitrag vom
13.06.2024; geändert 29.06.2024
Die Bauwirtschafts- und Bauvertragsserie
Bauvertrags und Nachtragsmanagement (2023)
(Keine) Mehrkostenforderungen beim
Bauvertrag (2021)
Baukalkulation, Kostenrechnung und ÖNORM B
2061 (2020)
Alle Bücher im Überblick finden Sie unter Publikationen
Beitrag:
Vorsicht bei der Umlage von Baustellengemeinkosten
Der nachfolgende Beitrag baut auf folgenden Quellen auf:
· ZVB 2024/34: LVwG Wien 18.10.2023, VGW-123/072/9969/2023. https://legacy-rdb.manz.at/document/rdb.tso.ENzvb20240307
· Die originale Entscheidung im Volltext (Download bei RIS) … bzw bereits markiert, um das Vorbringen des Bieters, des AG und die Erwägungen des VGW leichter zu erfassen: Zum Download … (.pdf).
Der folgende Text basiert auf einem Beitrag in der
Fachzeitschrift ZVB. Auf der Publikationsseite ist der downloadbare
Originalbeitrag verfügbar! Zur
Publikationsübersicht ... und weiter unter "Artikel & Beiträge"
und dort ZVB 2024/75).
Beitrag
Bauvorhaben und Ausschreibung
Es ging in einem offenen Verfahren im Oberschwellenbereich um die Vergabe eines Werkvertrags (Bauauftrag) betreffend Maler- und Anstreicherarbeiten (ca. 3.000 m2 Lackbeschichtungen und ca. 13.000 m2 Dispersionsbeschichtung sowie 150 Wochen "Kosten eigene Baubetrieb"). Auftraggeber des Bauauftrags ist die Stadt Wien – Wiener Wohnen.
Betreffend der Baustellengemeinkosten waren die Positionen der LB-HB verwendet. Eigene Positionen waren für
· das Einrichten der Baustelle (01.1101A),
· die Räumung der Baustelle (01.1101B)
und für die durchschnittlichen zeitgebundenen Kosten, Gerätekosten und sonstige Kosten der Baustelle pro Woche (01.1102) waren vorgesehen
· Kosten eigene Baubetrieb (01.1102A),
· Kosten eigene Stillliegezeit (01.1102B),
· Kosten SiGe Baubetrieb (01.1102C) und
· Kosten SiGe Stillliegezeit (01.1102D).
In den letzten vier Positionen (01.1102 A bis 01.1102D) wurde jeweils einen Preis von 0 Euro angeboten.
Die Aufklärung des Bieters
In der Aufklärung hat der Bieter mitgeteilt, dass in der Kalkulation sämtliche nicht direkt zuordenbaren Lohn- und Gehaltskosten den Geschäftsgemeinkosten zugeordnet zu habe, da in Ausschreibungen über Malerleistungen üblicherweise keine zeitgebundenen Baustellengemeinkosten in separaten Positionen ausgewiesen würden. Der Lohnanteil in diesen Positionen sei deshalb mit null angesetzt. Der Zuschlag für Geschäftsgemeinkosten sei demgegenüber etwas höher angesetzt. Angaben dazu, in welcher Höhe, die nicht direkt zuordenbaren Lohn- und Gehaltskosten zugrunde gelegt wurden, hat der Bieter in der Aufklärung nicht gemacht.
Die Ausscheidenserklärung
Der Auftraggeber stützte sich in der Ausscheidensentscheidung auf § 141 Abs 1 Ziffer 3 BVergG 2018 und führte aus, dass der vom Bieter angefochtene Preis nicht plausibel zusammengesetzt sei und eine spekulative Preisgestaltung aufweise. Der Bieter habe die Kosten nicht in den Positionen kalkuliert, wo sie verursacht würden. Die Verlagerung von Kosten in andere Positionen sei nicht zulässig.
Konkret hat in der Ausscheidungserklärung der AG wie folgt festgehalten: "Aus Ihren Aufklärungen geht hervor, dass das Kostenverursachungsprinzip nicht beachtet wurde. Kosten sind in den Positionen zu kalkulieren, wo diese verursacht werden. Die Verlagerung von Kosten in andere Positionen ist nicht zulässig."
Verwaltungsgericht (wesentlicher
Entscheidungssatz 1)
"Darin, dass im
vorliegenden Fall die Kosten eigener Baubetrieb, die Kosten eigene
Stillliegezeit, die Kosten SiGe Baubetrieb und die Kosten SiGe Stillliegezeit
entgegen den bestandsfesten Festlegungen in den Ausschreibungsunterlagen nicht
in den dafür vorgesehenen Standardpositionen des Leistungsverzeichnisses
ausgewiesen wurden, sondern von der Antragstellerin (Ast; =Bieter) als Zuschlag
für Geschäftsgemeinkosten im K3-Blatt kalkuliert und auf die einzelnen
Leistungsstunden umgelegt wurden, liegt eine Umlagerung von Kosten
(Mischkalkulation), die das Angebot der Ast ausschreibungswidrig macht."
Anmerkung zum Kostenverursachungsprinzip
Die
Betriebswirtschaftslehre kann für die Kostenrechnung keine Verrechnungsgesetze
aufstellen, sondern mehrere Kostenverrechnungsprinzipien nennen. Die
Prinzipien stehen teilweise sogar in Konkurrenz zueinander und es ist mit einem
sinnvollen Mix aus den einzelnen Prinzipien eine plausible Kalkulation zu
gestalten. Der Hauptleitsatz ist, dass die Kosten so weit wie möglich dem
kostenverursachenden Kalkulationsobjekt zugeordnet werden sollen. Das ist das
Kostenverursachungsprinzip.
In meinem Buch Baukalkulation, …
(Seite 13) habe ich das Kostenverursachungsprinzip als zentrales Prinzip
der Kostenrechnung bezeichnet. Dem Kalkulationsobjekt (zB einer LV-Position
oder dem Mittellohnpreis) sollen jene Kosten zugerechnet werden, die durch das
Kalkulationsobjekt verursacht werden. Weil diesem Prinzip in der Praxis nicht
nachgekommen werden kann, führt das zur Trennung in direkte (das sind die
zugeordneten Kosten) und in indirekte Kosten (das sind die, die auf anderem Weg
eine Verrechnung finden müssen; sie werden Gemeinkosten genannt. Das
Durchschnittsprinzip ergänzt dann das Verursachungsprinzip (Seite 15).
Die St. Gallen Business School (SGBS) führt das noch prägnanter aus (Link …): "Nach dem Kostenverursachungsprinzip sind den Kostenträgern nur die Kosten zuzurechnen, die auch durch sie verursacht wurden." Sie stellt aber auch klar, dass dem in einer Vollkostenrechnung nicht nachgekommen, weil sich alle Kosten, unter dem Regime dieses Prinzips nicht erfassen lassen. Sie leitet zum Durchschnittsprinzip weiter, wonach der Rest der Kosten durchschnittlich (und nicht verursachungsgerecht) auf die Bezugsgrößen (Kalkulationsobjekte verteilt werden.
In meinem Buch Baukalkulation, … (Seite 41) habe ich daher auch darauf verwiesen, dass "Einzelkosten" (= "direkte Kosten") und "Gemeinkosten" (= "indirekte Kosten") keine Kosteneigenschaft darstellen, sondern sich aus der individuellen Kostenrechnung/Kalkulation ergeben.
Für die nicht direkt zugeordneten Kosten, den Gemeinkosten,
stellt die ÖNORM B 2061 die Kostenartengemeinkosten (Personal-, Material- und
Gerätegemeinkosten), Umlage in Zeile 17 des K3-Blattes, die Spalte D des
K2-Blattes und den Geschäftsgemeinkostenzuschlag des K2-Blattes zur Verfügung. Für Baustellengemeinkosten stellen manche
Leistungsverzeichnisse eigene Positionen zur Verfügung.
Richtig, aber
nicht abschließend, führt die ÖNORM B 2061 aus:
4.2
…
Es ist das Kostenverursachungsprinzip zu beachten. Demnach sind jedem
Kalkulationsobjekt (eine Kostenart, eine Leistungsposition u. dgl.) jene Kosten
zuzurechnen, die durch das Kalkulationsobjekt verursacht werden. Allerdings
dürfen, bezogen auf das Kalkulationsobjekt, geringfügige Kostenanteile auch in
Form von allgemein bzw. aus der Erfahrung hergeleiteten Zuschlägen oder Umlagen
berücksichtigt werden.
…
Allein daraus
würde sich ergeben, dass außer geringfügige Kostenanteile keine weiteren
Umlagen vorgenommen werden dürfen. Unbestritten ist jedoch, dass der
Gesamtzuschlag den zugerechneten direkten Kosten aufzuschlagen ist.
Es kann auch mit Umlagen oder Verrechnungssätze dem Kostenverursachungsprinzip nähergekommen werden. Die Gemeinkosten "Personalverrechnung" den Personalgemeinkosten (K3-Blatt) zuzurechnen trifft das Prinzip eher, als über einen einzigen Geschäftsgemeinkostenzuschlag (K2-Blatt) auf alle Kostenarten auch das Material damit zu belasten (Material verursacht keine Personalverrechnungskosten). Gottseidank wird trotz Verlassen des Kostenverursachungsprinzips diese Art der Umlage nicht als "Mischkalkulation" gebrandmarkt. Die Kalkulationsfreiheit ist in einer freien Marktwirtschaft ein hohes Gut. Auch die ÖNORM B 2061 hebt die Kalkulationsfreiheit hervor (siehe Abschnitt 1).
Die Position "Kosten eigene Baubetrieb" ist eine Gemeinkostenposition und nur (möglicher) Kostenträger von durch den Baubetrieb verursachte "eigene Kosten".
Die Position
"Kosten eigene Baubetrieb" verursacht keine Kosten. Nach dem
Kostenverursachungsprinzip sind dieser Position daher keine Kosten zuzuweisen.
Die eigenen Kosten verursacht durch Baubetrieb (das ist das Erstellen der
Leistung) entstehen durch die Erbringung der mit den Leistungspositionen
vereinbarten Leistungen.
Im
gegenständlichen Fall geht es um Bauleitungskosten. Die Ausführungen beziehen
sich speziell auf diese.
Bauleitungskosten
werden durch die Leistungserbringung wie Dispersionsfarbe aufbringen an Wänden,
Decken usw oder Anstriche auf Metall verursacht. Die Argumentation des
Auftraggebers mit dem Kostenverursachungsprinzip ist daher
betriebswirtschaftlich widersinnig und falsch. (Der AG hat nämlich in der
Ausscheidenserklärung wie folgt festgehalten: "Aus Ihren Aufklärungen geht
hervor, dass das Kostenverursachungsprinzip nicht beachtet wurde. Kosten sind
in den Positionen zu kalkulieren, wo diese verursacht werden. Die Verlagerung
von Kosten in andere Positionen ist nicht zulässig."
Eine Leistungsposition ist Verursacher von jenen Kosten, die für die Erbringung der in der Position beschriebenen Leistung erforderlich sind. Eine Leistungsposition ist Kostenverursacher und nach dem Kostenverursachungsprinzip auch Kostenträger. Nachdem Kostenverursachungsprinzip dürfen von einer Leistungsposition verursachte Kosten nicht auf andere Kostenträger (zB andere Leistungspositionen) umgelegt werden. Dann liegt eine mit dem Kostenverursachungsprinzip nicht kompatible Mischpreiskalkulation vor. Dass vergaberechtlich diese Art der Mischpreisbildung verpönt ist, ist auch betriebswirtschaftlich begründet.
Ganz anders aber der
Umgang mit Gemeinkosten. Das Kostenverursachungsprinzip verlangt, so weit
wie möglich Kosten der kostenverursachenden Leistung zuzurechnen. Die
Gemeinkosten sollen so gering wie möglich gehalten werden. Das kann ein
Unternehmer extensiver vornehmen als ein anderer, deshalb darf auch das
Verhältnis zwischen Einzelkosten und Gemeinkosten im Vergleich von
Kalkulationen einzelner Unternehmer abweichen.
Gemeinkostenpositionen
sind nicht Kostenverursacher, sondern (nur) Kostenträger von jenen Kosten, die
zuvor nicht den Einzelkosten zugerechnet wurden.
Allerdings haben
Positionen innerhalb der Leistungsgruppe "Baustellengemeinkosten" oft
einen hybriden Charakter, weil sie auch die Erbringung einer konkreten Leistung
vorsehen. Das gilt jedenfalls für Einrichten und Räumen der Baustelle. Aber auch
die Position "Kosten eigene Baubetrieb" kann konkrete Leistungen
verlangen (zB Vorhalten und Betrieb von Mannschaftscontainern). Aber für
Bauleistungskosten ist das anders.
Regelungen in
der ÖNORM B 2061 zu Personalkosten der zeitgebundenen Kosten der Baustelle
Insbesondere für Personalkosten
der zBGK enthält die ÖNORM B 2061 eine (im
Einklang mit den betriebswirtschaftlichen Ausführungen zuvor) besondere
Regelungen:
6.2.2.2.2 Zeitgebundene Kosten der Baustelle
Zeitgebundene Kosten fallen bei der Leistungserbringung über längere
Zeitabschnitte in annähernd gleichbleibender Höhe je Zeiteinheit an. Sie fallen
auch bei Leistungsunterbrechungen an, bei längerer Dauer der
Leistungsunterbrechung (Stillliegezeit) allenfalls in verringerter Höhe.
Sie umfassen insbesondere:
- Personalkosten, soweit sie nicht sachlich begründet den
Einzelpersonalkosten oder den Geschäftsgemeinkosten zugeordnet werden,
z. B. für Projekt- und Bauleitung, Arbeitsvorbereitung, Abrechnung,
Überwachung der Arbeitsleistung, Bedienung von Vorhaltegeräten, …
Dazu wird zum Teil die Meinung vertreten, dass die "sachliche Begründung" ausschließlich nur dann gegeben ist, wenn keine Positionen für die BGK im LV vorgesehen sind. Nur das hätte man (1) auch so konkret in die Norm aufnehmen können und (2) sprich der fehlende Hinweis bei den anderen Kostenarten dagegen, weil bei fehlenden BGK-Positionen auch diese anderweitig zugeordnet werden müssen. Daher vertrete ich eine andere Meinung. Sachliche Gründe sind weiter gefasst. ZB sehen viele Unternehmer die Personalkosten Bauleitung als Teil der Geschäftsgemeinkosten, weil
· diese Personen neben der Bauleitung auch noch andere Tätigkeiten ausüben (zB Kalkulation oder administrative Tätigkeiten) und sich die Kosten nicht exakt trennen lassen oder weil
· eine Umlage eine größere Vergütungssicherheit bietet, da die Beschäftigung (geplante Verrechnung von Einzelkosten) als Kostenträger ein zutreffenderer und besser prognostizierbarer Kostenträger ist.
Sowohl das auch in der ÖNORM verankerte Kostenverursachungsprinzip als auch Abschnitt 6.2.2.2.2 ließen eine Zurechnung der Bauleitungskosten auf die Leistungspositionen zu.
Leistungsbeschreibung Hochbau
Nach der LB-HB gilt: "1. Allgemeines: Baustellengemeinkosten sind im Sinne der ÖNORM B 2061 angeboten."
Weiters: "0111 Zusammenfassung der Baustellengemeinkosten | In dieser Unterleistungsgruppe sind die Baustellengemeinkosten sowie die Leistungen für die Sicherheit und des Gesundheitsschutzes in Sammelpositionen, für die im Leistungsverzeichnis keine Einzelpositionen vorgesehen sind, zusammengefasst.
Und: "011102 Durchschnittliche
zeitgebundene Kosten, Gerätekosten und sonstige Kosten der Baustelle. | Die
einzelnen Kosten werden summiert und auf die geplante Baudauer umgelegt
(durchschnittliche Kosten je Woche)."
Aus dieser
(zweiten und vor allem dritten) zitierten Formulierung der
Leistungsbeschreibung Hochbau hat das Verwaltungsgericht offenbar ein
zwingendes Auspreisen der Baustellengemeinkosten Positionen gesehen. Auf
die erst zitierte Bestimmung ist das Gericht nicht eingegangen. Es hat
ausgeführt: "
"Nach
der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind
Ausschreibungsbestimmungen nach dem objektiven Erklärungswert für einen
durchschnittlichen fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt
auszulegen. Die o.a. Festlegungen haben einen eindeutigen Erklärungswert
dahingehend, dass die in den Positionen 01.1102A bis 01.1102D genannten Kosten
in diesen Positionen auszuweisen sind. Positionen an einer anderen Stelle des
Leistungsverzeichnisses sind dafür nicht vorgesehen."
Nach der LH-HB
sind die "durchschnittlichen zeitgebundenen Kosten" zu erfassen. Zeitgebundene Kosten
fallen bei einer Leistungserbringung in einem wesentlichen Ausmaß an. Die
gesamten Personalkosten sind zeitgebundene Kosten. Aber ein Großteil der
zeitgebundenen Kosten wird den Leistungspositionen zugerechnet. Nach dem
Kostenverursachungsprinzip so viel wie möglich, um den undifferenzierten
Gemeinkostenblock so gering wie möglich zu halten. Die betriebswirtschaftliche
Fachkunde eines Bieters sieht diese Möglichkeiten, weil sie gar nicht gegen den
Wortlaut der LB-HB verstoßen und in der ÖNORM auch dargelegt sind.
VGW: "Dasselbe
gilt für das Vorbringen der Antragstellerin zu den Bestimmungen der ÖNORM B
2061. Das Beweisverfahren hat nicht ergeben, dass die Festlegung der
Ausschreibung im Leistungsverzeichnis zur gesonderten Ausweisung der o.a.
Kosten in den Positionen 01.1102 A bis 01.1102 D gegen die ÖNORM verstoßen
würde. Die bestandsfeste Festlegung bindet jedoch jedenfalls die Bieter und die
Auftraggeberin dahingehend, dass die dort festgelegte Vorgangsweise einzuhalten
ist (Ra 2019/04/0083). Vorliegend ist daher der Maßstab für die Prüfung von
Abweichungen des Angebots, soweit diesbezüglich in der Ausschreibung
Festlegungen getroffen wurden, nicht die ÖNORM, sondern die bestandsfeste
Ausschreibung."
ÖNORM und LB-HB stehen
nicht im Widerspruch. Der betriebswirtschaftliche Schönheitsfehler in der
Begründung liegt darin, dass sich das VGW mit dem Begriff Gemeinkosten nicht
auseinandergesetzt hat und unreflektiert Bauleitungskosten mit Gemeinkosten
gleichgesetzt hat.
Wegen dieser
Auslegung des VGW der eindringliche Ratschlag, BGK-Positionen im LV nicht zu
ignorieren. ZU hoffen bleibt, dass die betriebswirtschaftlichen Umstände,
betriebswirtschaftliche Regeln und die Kalkulationsfreiheit in Zukunft mehr
Berücksichtigung finden werden. Wie gezeigt, ist die Abgrenzung von
Bauleitungskosten bezüglich der Zuordnung zu den Einzelkosten,
Baustellengemeinkosten oder Geschäftsgemeinkosten nicht im Sinne eines Gesetzes
(wie zB bei einer Geschwindigkeitsübertretung) mit dem Rasiermesse ziehbar. Aus Sicht der modernen Betriebswirtschaftslehre,
die versucht, immer bessere Zuordnungen zu finden um dem
Kostenverursachungsprinzip gerechter zu werden, ist die Entscheidung zu
bedauern. Diese Entscheidung verhindert eine sinnvolle Umsetzung des Kostenverursachungsprinzips
und führt die Baukalkulation in die betriebswirtschaftliche Vorzeit der ÖNORM B
2061 Ausgabe 1999 und davor zurück.
Verwaltungsgericht (wesentlicher Entscheidungssatz 2)
"Aufgrund der unzulässigen
Umlagerung von Kosten (Mischkalkulation) bewirken aber
etwaige Änderungen (zB Verringerungen) der Bauzeit und damit der anfallenden
Baustellengemeinkosten keine Änderung des Preises. Umgekehrt
bewirken anfallende Mengenänderungen auf Positionsebene Änderungen der über
einen Zuschlag verrechneten Baustellengemeinkosten, auch wenn sich die Bauzeit
und damit die anfallenden Baustellengemeinkosten tatsächlich nicht ändern. Darin
liegt unabhängig von der Höhe der tatsächlichen Beträge eine unzulässige
Kostenverlagerung."
Die
bestandsfesten Festlegungen einer Ausschreibung binden jedenfalls die Bieter
und die Auftraggeberin dahingehend, dass die dort festgelegte Vorgangsweise
einzuhalten ist (VwGH 2019/04/0083). Unter Vorgangsweise wird ua der
Verfahrensablauf, aber auch die Ausschreibung an sich und natürlich die
Ermittlung des zuschlagsbestimmenden Gesamtpreis [∑ (Menge x EHP)]
verstanden. Weshalb dann Mengen- und Bauzeitvorgaben simuliert werden, ist
nicht ganz erklärlich. Es gibt nämlich keine Art der Spekulation die bei
Einhaltung der ausgeschriebenen Positionen, der Mengen und der Ausführungszeit
aufgehen kann!
VGW: " … bewirken
aber etwaige Änderungen (zB Verringerungen) der Bauzeit und damit der
anfallenden Baustellengemeinkosten keine Änderung des Preises." In einer
eindimensionalen und rein mathematischen Betrachtung ist die Darlegung
zutreffend. Es wäre aber laienhaft anzunehmen, dass sich bei Verringerung
der Bauzeit aber gleichem Leistungsvolumen (= Leistungsverdichtung) die
zeitgebundenen BGK tatsächlich proportional der Bauzeitverkürzung verhalten. Da
eine Leistungsabweichung (geänderte Bauzeit) vorliegt und sich die Kosten nicht
proportional verändern, wird jener Unternehmer, der die zBGK
pro Woche angeboten hat, eine Mehrkostenforderung stellen.
VGW: "Umgekehrt
bewirken anfallende Mengenänderungen auf Positionsebene Änderungen der über
einen Zuschlag verrechneten Baustellengemeinkosten, auch wenn sich die Bauzeit
und damit die anfallenden Baustellengemeinkosten tatsächlich nicht ändern." In einer eindimensionalen und rein
mathematischen Betrachtung ist die Darlegung zutreffend, betriebswirtschaftlich
allerdings völlig falsch (wenngleich durch das Wort "tatsächlich",
gewollt oder ungewollt, etwas relativiert). Man kann und darf nicht davon
ausgehen, dass sich BGK pro Zeiteinheit unabhängig der Leistungsmenge
verhalten. Die Kostenfunktion für zeitgebundene Baustellengemeinkosten erfasst
als wesentliche Elemente Menge (Leistungsvolumen) und Bauzeit. Ich habe in
meinem Buch (Keine)
Mehrkostenforderungen beim Bauvertrag darauf hingewiesen, und deshalb auch
mehrerer Anpassungsmodelle vorgestellt (Seite 893ff).
Diese, die
Entscheidung des VGW offenbar mit einem weiteren Argument stützende Erwägungen,
wären wohl verzichtbar gewesen, hat doch schon der erste Entscheidungssatz ein
eindeutiges Ergebnis ergeben.
Betriebswirtschaft,
Kostenlehre und Kalkulation wird leider oft verkannt und laienhafte Bezüge,
Argumente und dgl vorgebracht. Es steckt jedoch viel mehr hinter dieser
Wissenschaft und ein paar Gemeinplätze sind als Erklärung niemals zutreffend.
Auch Bieter müssen darauf achten, Aufklärungsersuchen fundiert zu beantworten,
denn neue Argumente lassen sich in einem Nachprüfungsverfahren oft nicht mehr
vorbringen.
PS: Die
ausgeschriebenen Mengen von ca 3.000 m2 Lackbeschichtungen und ca. 13.000 m2
Dispersionsbeschichtung und 150 Wochen Bauzeit ergeben ein Arbeitsvolumen von
ca 107 m2 pro Woche bzw ca 25 m2 pro Tag. Aber das ist wohl eine ganz andere
Geschichte.
Quicklinks
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WEBINAR zur Baukalkulation. Weitere Informationen …
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für Kalkulation und Nachtragsmanagement zur Verfügung. Ein für alle
Branchen (Gewerbe, Kollektivverträge) verwendbares K3-Blatt-Kalkulationstool ist ebenfalls verfügbar.