Bauvertrag, ÖNORM
B 2110:
Der Pauschalvertag
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Info 02:
Der Pauschalvertrag im
Bauwesen und dessen viele Gesichter
Bauvertrags und Nachtragsmanagement (2023)
(Keine)
Mehrkostenforderungen beim Bauvertrag (2021)
Baukalkulation,
Kostenrechnung und ÖNORM B 2061 (2020)
Alle Bücher im
Überblick finden Sie unter Publikationen
In der Baupraxis gewinnen Pauschalvereinbarungen zunehmend an Bedeutung. Es müssen keine komplexe konstruktiven Leistungsverzeichnisse geschaffen werden, der Bauherr wähnt sich in größerer Kostensicherheit und der Unternehmer sieht den Vorteil, dass er sich die mühsame detaillierte Aufmaßermittlung und Abrechnung erspart. Nicht immer bedeutet das aber eine Win-Win-Situation.
Nicht jede Leistung ist für eine Pauschalierung geeignet. Sie muss ausreichend erschöpfend, auch in Hinblick auf die Quantität, beschrieben werden können. Fertige Ausführungspläne können das sicherstellen.
Pauschalvereinbarungen stellen sich wegen ihren vielfältigen Ausprägungen allerdings als recht komplex dar. Es lassen sich einige Grundtypen unterscheiden. Jeder Grundtyp bedeutet jedoch eine andere Risikotragung und entscheidet auch darüber ob nur der Preis oder auch die Leistung als pauschaliert gilt. Eine Pauschalpreisvereinbarung bezieht sich auf den Werklohn. Selbstverständlich kann eine Auslegung der Pauschalvereinbarung auch zu einer Pauschalierung der Leistung führen. Daher: Ein Pauschalvertrag kann, muss aber nicht, auch eine Übertragung des Funktions- und/oder Vollständigkeitsrisikos auf den Unternehmer bedeuten.
Im Vordergrund steht zunächst die Preisvereinbarung. Eine Pauschalpreisvereinbarung liegt dann vor, wenn keine Abrechnung nach Aufmaß, also keine positionsweise Abrechnung vorgesehen ist. Der Gesamtpreis ist pauschaliert. Der tatsächliche Werklohn steht daher bei Vertragsabschluss bereits fest.
Hinsichtlich des Zustandekommens des Pauschalpreises kann an zwei Grenzfälle gedacht werden:
(a)
Detailpauschalvertrag (unechter Pauschalvertrag)
Die Leistung ist, in Einzelleistungen gegliedert (Positionen), für jede Einzelleistung ist eine Menge angegeben und ein Einheitspreis liegt vor. Die Summe der Produkte aus Menge und EHP ergeben einen Wert aus dem sich, zB nach einem "Pauschalnachlass" der Pauschalpreis ergibt. Obwohl ein konstruktives Leistungsverzeichnis vorliegt besteht kein Kostenvoranschlag, weil die Vertragspartner einen Pauschalpreis vereinbart haben und daher die detaillierte Abrechnung entfällt. Dieser Typ des Vertrags wird auch Detailpauschalvertrag genannt, irreführend auch "unechter" Pauschalvertrag. "Detail" deshalb, weil die Leistung detailliert beschrieben ist. Die Bezeichnung "unecht" rührt wohl daher, weil die Leistungsseite als nicht pauschaliert angesehen wird.
(b)
Totalglobalpauschalvertrag
Die Leistung ist funktional in Bezug auf den Endzweck beschrieben (zB Errichtung eines Wasserbeckens für eine Beschneiungsanlage mit einem Volumen von 50.000 m3). Der Unternehmer ist nicht nur bauausführend, sondern auch planend tätig. Die Preisvereinbarung beruht auf der Nennung eines einzigen Preises, dem Pauschalpreis. Dieser Typ des Vertrags wird auch Totalglobalpauschalvertrag genannt.
Zwischen diesen beiden Ausprägungen (a) und (b) finden
sich weitere Varianten.
Der Detailpauschalvertrag wird nach gängiger (juristischer) Lehre als "unechter Pauschalvertrag" bezeichnet. Wohl deshalb, weil der Preis pauschaliert, die Leistung jedoch nicht pauschaliert ist. Der Globalpauschalvertrag wird als "echter Pauschalvertrag" bezeichnet. Wegen der Vielfältigkeit möglicher Vereinbarungen ist diese Unterscheidung viel zu grob. Für die in der Abbildung aufgezählten Grundtypen (siehe auch Abbildung (.pdf)) können folgende Bezeichnungen verwendet werden:
Typ (1): Detailpauschalvertrag
Typ (2): Eingeschränkter Detailpauschalvertrag
Typ (3): Detaillierter Globalpauschalvertrag
Typ (4) und (5): Einfacher Globalpauschalvertrag
Typ (6): Funktionaler Globalpauschalvertrag
Typ (7): Totaler Globalpauschalvertrag
Siehe auch die Abbildung (.pdf).
Bis zum Typ (5) liegt eine konstruktive Leistungsbeschreibung vor; bis zum Typ (3) auf Basis eines konstruktiven Leistungsverzeichnisses, in den Fällen (4) und (5) auf Basis von konkreten planlichen und beschreibenden Vorgaben des AG. Ab Typ (5) liegt eine Paradigmenwechsel vor. Der Unternehmer wird zum "planenden Auftragnehmer". Beim Typ (7) liegt praktisch die gesamte Planungsaufgabe beim Auftragnehmer (AN).
Beim Detailpauschalvertrag liegen Mengenangaben zu einzelnen Positionen vor. Ein Pauschalpreis ist aber darauf gerichtet, (auch) die Mengenermittlung bei der Abrechnung zu ersparen. Abgerechnet wird der vereinbarte Pauschalpreis. Beim Detailpauschalvertrag tragen die Vertragsparteien das Mengenrisiko der unrichtigen LV-Menge. Die Mengenermittlungsgrundlagen (vor allem Pläne) haben betreffend die Quantität der Leistung einen höheren Stellenwert als die Mengenangaben im LV. Der Plan dient der quantitativen Bestimmung des Bau-SOLL, das Leistungsverzeichnis oder die Leistungsbeschreibung vor allem der qualitativen Bestimmung.
Der Vergleich der im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Menge mit der tatsächlich ausgeführten Menge ergibt die Mengendifferenz. Im Idealfall ist sie Null, die Praxis zeigt es anders. Um eine Leistungsabweichung wegen Mengenänderungen zu spezifizieren sind daher die vom Auftraggeber (AG) übergebenen Mengenermittlungsgrundlagen zu analysieren. Dabei ist zu unterscheiden:
· Die Mengenansätze im LV sind aus den vorliegenden Mengenermittlungsgrundlagen nachrechenbare.
· Die Mengenansätze im LV sind in einer Bandbreite aus anderen Vertragsgrundlagen abschätzbar.
· Die Mengenansätze im LV sind weder nachrechenbar noch abschätzbar. Nur dann gewinnen die LV-Mengen an vertraglicher Bedeutung.
Beim Globalpauschalvertrag wird das Mengenrisiko nicht unmittelbar sichtbar, weil kein mit Mengen versehenes Leistungsverzeichnis (LV) vorliegt. Das vom AN zu tragende Mengenrisiko wird allerdings durch die vom AG vorgegebenen Mengenermittlungsgrundlagen, vor allem Pläne oder auch Hinweise auf Mengen in der Bau- und Ausstattungsbeschreibung bestimmt. Mehr leisten als die Pläne hergeben muss er nicht. Beim Funktionalen und Totalen Pauschalvertrag verschieben sich diverse weitere Risiken zum (nun auch planenden) Unternehmer.
Ein Funktionaler und ein Totaler Globalpauschalvertrag kann sogar das Baugrundrisiko auf den Unternehmer überwälzen. So hat der OGH erkannt, dass ein Pauschalvertrag, mit dem sich der Unternehmer mit funktionaler Leistungsbeschreibung zur Herstellung eines Schwimmbiotops verpflichtet, auch unerwartete zusätzliche Arbeiten, wie das Einfassen einer Quelle die bei den Grabungsarbeiten zum Vorschein getreten ist, einschließt um das Werk fachgerecht erstellen zu können (vgl OGH 22.01.2014, 3 Ob 191/13d). Wie diese Judikatur zeigt, kann die Pauschalvereinbarung eine Veränderung der Sphärenverteilung (§ 1168 Abs 1 ABGB) bewirken. Das Baugrundrisiko, klassisch beim Auftraggeber liegend, kann daher auch ohne explizite Überwälzung zum Risiko des AN werden.
Siehe auch
Infobox Nr 06
(Materialpreissteigerungen), Infobox Nr 08 (Festpreise) und Infobox Nr 11 (Einheitspreis -
Pauschalpreis sowie Festpreis und veränderlicher Preis).
Hinweise für die Kalkulation und Preisbildung beim Pauschalvertrag finden sich im Buch Baukalkulation, Kostenrechnung und ÖNORM B 2061.
Grundsätzliche
Rechtssätze zum Pauschalpreis
Rechtssatznummer RS0018079: Der Pauschalpreis ist darauf angelegt, die Mengenermittlung durch Abrechnung zu ersparen, Mengenschwankungen ändern die Pauschalsumme nicht. Er enthält für beide Vertragsteile ein besonderes Wagnis, denn der Pauschalpreis ist verbindlich, auch wenn sich herausstellt, dass die übernommenen Arbeiten die veranschlagten Mengen erheblich überschritten oder unterschritten haben.
Rechtssatznummer RS0022059: "Bei einem Werkvertrag mit Pauschalpreisvereinbarung darf der Unternehmer keine Preiserhöhung fordern, auch wenn das Werk mehr Arbeit oder größere Auslagen erfordert als er vorhergesehen hatte. Er trägt die Gefahr der Mehrarbeit ebenso wie ihm der ganze Nutzen zufällt, wenn sich die Arbeit als billiger oder leichter herausstellt."
Ausführlich
ist das Thema Pauschalvertrag im Buch (Keine)
Mehrkostenforderungen beim Bauvertrag behandelt. Insbesondere sind auch
jene Fälle behandelt die trotz Pauschpreisvereinbarung eine Preisanpassung
ermöglichen. Die relevanten Themenkapiteln:
12 PAUSCHALVERTRAG
12.1 Die Typenvielfalt
12.2 Abgrenzung zum
Schätzungsanschlag und zum Kostenvoranschlag
12.3 Detailpauschalvertrag:
Mengen- und Leistungsrisiko
12.3.1 Mengenrisiko liegt bei den
Vertragspartnern
12.3.2 Der Umgang mit
Mengendifferenzen
12.3.3 Mindermengen
12.3.4 Leistungsrisiko
12.4 Globalpauschalvertrag:
Mengen- und Leistungsrisiko
12.4.1 Mengenrisiko
12.4.2 Leistungsrisiko
12.5 Pauschalpreis und Irrtum
12.5.1 Irrtum beim
Detailpauschalvertrag
12.5.2 Irrtum beim
Globalpauschalvertrag
12.5.3 "Unkalkulierbare"
Leistungen
12.6 Grenzen der Bindung an
den Pauschalpreis
12.7 Pauschalpreis und
entfallene Leistungen
12.8 Pauschalpreisvereinbarung:
Hinweise für den Vertragsabschluss
12.9 Fallbeispiele
Pauschalpreisvertrag
Und folgende Beispiele:
Beispiel
12.1: Total-Globalpauschalvertrag
Beispiel 12.2: Abgrenzung Schätzungsanschlag zu Pauschalanschlag
Beispiel 12.3: Detailpauschalvertrag und nachrechenbare Menge
Beispiel 12.4: Detailpauschalvertrag und abschätzbare Menge
Beispiel 12.5: Detailpauschalvertrag und für den Bieter nicht ermittelbare oder
abschätzbare Mengen
Beispiel 12.6: Detailpauschalvertrag (1)
Beispiel 12.7: Geringfügige, aber trotz Pauschalpreis entgeltpflichtige
Mehrleistung
Beispiel 12.8: Pauschalvertrag; Fall 1 – Mengenangabe "als"
Leistungsziel
Beispiel 12.9: Pauschalvertrag; Fall 2 – Mengenangabe "zum Erreichen des
Leistungsziels"
Beispiel 12.10: Konkrete Mengenangaben gehen der Vollständigkeit vor
Beispiel 12.11: Globalpauschalvertrag – Mengenänderungen
Beispiel 12.12: Verbindlicher Pauschalpreis trotz wesentlicher Überschreitung
der (kalkulierten) Kosten (OGH 2 Ob 613/86)
Beispiel 12.13: Totaler Globalpauschalvertrag kann das Baugrundrisiko auf den
AN überwälzen (OGH 22.01.2014, 3 Ob 191/13d)
Beispiel 12.14: Einfacher Globalpauschalvertrag und Vertragsauslegung
Beispiel 12.15: Auch bei einer funktionalen Leistungsbeschreibung sind vom AG
(!) die Vorgaben in der Ausschreibung einzuhalten (BGH vom 13.03.2008, Az: VII ZR 194/06)
Beispiel 12.16: Detailpauschalvertrag und vom AG stammende unzutreffende
Mengenermittlungsgrundlage (OGH 17.11.2004, 9 Ob 41/04a)
Beispiel 12.17: Pauschalpreis bleibt dann fest, wenn sich das Bauwerk nicht
ändert
Beispiel 12.18: Leistungsschuld bei Wiedersprüchen (OLG Dresden, Urteil vom 19.06.2018
- 6 U 1233/17)
Beispiel 12.19: Grundwasserhaltung als nicht entfallbare
Leistung
Beispiel 12.20: Mengenrisiko – Detailpauschalvertrag
Beispiel 12.21: Mengenrisiko – Globalpauschalvertrag
Beitrag vom 12.01.2022